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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 5.1905/​1906

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Heft 1
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Die Werkstatt der Kunst
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Herr Robert Bachem
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Anonyme Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45527#0010

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6

Die Werkstatt der Kunst.

heft H

blatt geschaffen werden kann, wenn ihr nur
ein wenig wollt. Au vielen Tausenden muß
die Künstlerschaft hinter uns stehen. In Scharen
muß man auf unsere Leite treten! Keiner darf
fehlen! Erst dann, wenn man wissen wird, daß
wir im Namen vieler Tausende sprechen, erst dann
werden wir so recht den Stier bei den hörnern
packen können.
Vie Tlerkslalt äer Kunst.
k)err Robert Rackem
im heiligen Köln i. La. I. p. Bachem „Kölnische
Volkszeitung", zweiter Vorsitzender der berühmten
Plakaten-Gesellschast, der da am Rhein über
die Taten der heimischen Künstler wacht, auf daß
die Sittlichkeit der Jugend nicht gefährdet werde,
geruhte in der bekannten Angelegenheit auch an den
Maler Hans Deiters in Düsseldorf, wie uns noch
nachträglich bekannt gegeben wird, einige Erlasse
hinauszugeben. Juden: wir diese Dekrete der Kölner
Zensur zur öffentlichen Kenntnis bringen, hoffen wir
uns dadurch zugleich den Dank des Herrn zu ver-
dienen, welcher offenbar von dem Wunsche beseelt
ist, daß man seinen Namen überall kennen und
fürchten lerne. Also dekretierte Herr Robert Bachem
an Herrn Deiters am 9- September:
Sehr geehrter Herr!
In Ihren: gest. Schreiben vom 8. er. nehmen Sie
ganz richtig an, daß eine absichtliche Schädigung des
Herrn Richard Lenobel mir fern gelegen hat und daß ich
gegen eine Plakatierung keinen weiteren Einspruch
erheben werde, sobald der Grund der Beanstan-
dung beseitigt sein wird.
In meinem Schreiben vom 6. er. an Herrn Rich.
Lenobel habe ich ausgeführt, daß ich der Auffassung fei,
daß jenes Bild, welches eine bis auf den Gürtel
nackte Frauenfigur darstelle, nicht zur Plakatierung
geeignet sei. Ls sei zweifellos, daß dasselbe in weiten
Kreisen Kölns Anstoß erregen würde, da es an den
Plakatsäulen und -Tafeln den Kindern und in den Ent-
wicklungsjahren stehenden jungen Mädchen und jungen
Leuten zwingend vor die Augen trete. Menn eine der-
artige, künstlerisch aufgefaßte Figur in einem Museum
oder in einem nur gegen Eintrittsgeld zugänglichen Kunst-
salon ausgestellt würde, könne wohl ein Einwand dagegen
nicht erhoben werden, das Plakat dagegen an so vielen
Stellen vor aller Augen öffentlich anzuheften, dazu könne
ich in meiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender
der Plakaten-Gesellschaft meine Zustimmung nicht erteilen.
Sobald also auf diesen: zum öffentlichen Ankleben
bestimmten Bilde die Nacktheit der Hauptfigur beseitigt
wird, steht der plakatierung nichts mehr im Wege. Um
beiden Seiten weitere Verdrießlichkeiten zu ersparen, wäre
erwägenswert, das Bild in der abgeänderten Form ein-
zuveichen, ehe es wieder zum Druck geht.
Hochachtungsvoll
Rob. Bachem.
Und ferner an: s2. September:
Sehr geehrter Herr!
Gestern erhielt ich Ihr gesl. Schreiben vom ;c>. cr.
Ohne die genauen Grenzen der von Ihnen angewendeten
Fachausdrücke zu kennen, kann ich Ihnen sagen, daß der

Leib und die Brüste der Hauptfigur bekleidet
sein müssen, während die Halspartie unbekleidet
sein kann.
Hochachtungsvoll
R. Bachem.
Die ganze Herrlichkeit der betreffenden von uns
gebrandmarkten Kölner Zustände leuchtet aufs neue
aus diesen beiden Schreiben. Herr Robert Bachem,
der mächtige Mann, wird „keinen weiteren Ein-
spruch erheben", „sobald der Grund der Beanstandung
beseitigt sein wird".
Sehr gut!
Ls „wäre erwägenswert, das Bild in der
abgeänderten Form einznveicken
Bravo! Da haben wir ja den vollendetsten
Amtsstil. So hört doch! „Einzureichen!" Das
ist ja göttlich!
Herr Robert Bachem dekretiert, „daß der Leib
und die Brüste der Hauptfigur bekleidet sein müssen,
während die Halspartie unbekleidet sein kann".
Man lese diese Sätze nur recht genau, denn
sie sind Gold wert. Schaut her, ihr Künstler, so
wird man euch zensieren und bevormunden, wenn
gewisse Leute in Deutschland die Oberhand gewinnen.
Schaut her, ihr Künstler, jawohl, so wird man der
Freiheit eures Schaffens zu Leibe gehen wollen, wenn
ihr mit uns nicht auf dem Posten seid und mitein-
ander gesorgt wird, daß diese Bäume nicht in den
Himmel wachsen.
In der Tat, diese beiden Briese sind köstlich!
Herr Robert Bachen: wird über unsere Auffassung
wahrscheinlich etwas erstaunt sein. Allein wir
können ihm nicht helfen. Es sei ihm sogar zum
Schluffe noch verraten, daß wir das Plakat im
Original nach Verständigung mit der Redaktion der
„Münchner Neuesten Nachrichten" in deren Ex-
peditions-Schaufenster zur Ausstellung gebracht
haben, damit das Hohngelächter der Stadt des
„Simplizissimus" und der „Jugend" allen denen,
die ähnliche Gelüste im Busen tragen, warnend
in die Ohren erschalle.
Oie Merkstatt cter Kunst.
Anonyme Kunstausstellungen.
Aus Wien wird der „vossischen Zeitung"
in: verlause eines Artikels über Kunst und Künstler
geschrieben:
„ . . .. Der Vervollkommnung der Reproduktionstechnik
hat man es zu danken, daß sich das Kunstverständnis immer
mehr ansbreiten kann und daß das Farbendruck-Original
immer mehr verdrängt wird von der Reproduktion, und zwar
selbst von der nur einfarbigen Reproduktion guter Merke.
Sie wird naturgemäß immer Surrogat bleiben, aber so lange
es nicht wandernde Ausstellungen gibt, ein notwendiges Sur-
rogat. Den einen frischen Reproduktionen die Erinnerung
an die Originalwerke, die sie kennen, ans, den anderen, die
die Mehrheit bilden, müssen sie die Vriginalwerke ersetzen.
In der Regel werden der Reproduktion jene neuen Bilder
teilhaftig werden, die als Ausstellungsobjekt die stärkste Mir-
kung übten, das regste Interesse des Publikums fanden; das
bedeutet also eine vom öffentlichen Urteil diktierte Auswahl
aus eiuer Auswahl. Mer aber bürgt den Künstlern dafür,
 
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